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DEN ÖFFENTLICHEN RAUM UND UNSEREN KÖRPER. DIE QUEER-FEMINISTISCHEN DOJOS UND DIE TECHNIKEN DES SELBST
In der zweiten Frauenbewegung wurde damit begonnen, die Emanzipation der Frau vom Körper her zu denken. Befreit ist die weiblich gelesene Person erst dann, wenn die gewaltförmigen Muster des patriarchalen Herrschaftssystems körperlich überwunden sind - wenn Körper sich wehren und selbst verteidigen.
In den 70er Jahren wurden die ersten Dojos in Berlin gegründet: in der asiatischen Kampfkunst wie Karate, Judo oder Aikido ist es der Raum, in dem das Training stattfindet. Es sind Orte, die als Gegenräume gegen die heteronormative Sportkultur fungierten. Trainiert wurde das in Kanada entwickelte WenDo. WenDo beinhaltet Techniken zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung, die explizit von Frauen an Frauen weitergegeben werden sollten. Es wurden queere, trans* und queer-feministische Sporträume, die aus historischer Perspektive, aber auch heute noch eine Verankerung sind für die Auseinandersetzung um queere Identitäten oder Identitätsbildungen.
Credits
Time: 1970s-1980s
Lat: 52.489302530061,
Long: 13.358695197253
Published: 13.07.2024 Audio: Deutsch
Link zum PDF Reader
Directed by/Regie Maxi Obexer
With voices from/Stimme von Stefania Maffeis (Speaker/Sprecherin); Veronika Springmann (Historian/Historikerin); Nives Bercht, Bärbel Düsing, Birgit Halberstadt, Ulrike Klöppel (Trainers/Trainerinnen)
Music selection/Musikauswahl FRZNTE
Sound and Post-production/Sound, Ton und Technik Tobias Purfürst
Bärbel Düsing [00:00:00] So. Wir stellen uns auf zur Grundschule. Dann geht's los mit cattle sun zucki ... etsch. Etsch - hook …. Das Erste ist, ich ziehe den hoch … Und das Zweite ist: Wenn ich absetze, geht meine Wirbelsäule nach unten und macht power! Ich setze trotzdem sanft auf, aber ich hab Druck und ich hau wirklich rein. Okay?
Stefania [00:00:54] Das feministische Dojo ist ein Raum, der in den 1970 er Jahren gegründet wurde, um Frauen die Möglichkeit zu geben, feministischen Kampfsport zu erlernen. Der Begriff „Dojo“ kommt aus dem Japanischen und bedeutet der „Ort des Weges“. Es bezeichnet in der traditionellen Kampfkunst also Kampfkünsten wie Karate, Judo oder Aikido, den Raum, in dem das Training stattfindet. Ebenfalls in den 1970er Jahren wurde in Kanada WenDo entwickelt und meint den „Weg der Frauen". WenDo beinhaltet Techniken zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung, die explizit von Frauen an Frauen weitergegeben werden sollten. Es sind Räume, die als „Gegenorte“ (counter sites) innerhalb heteronormative Sportstrukturen fungieren. Heterotopien, wie Michel Foucault sie nennt, also Orte, die sich allem anderen widersetzen, es in gewisser Weise ersetzen oder neutralisieren. Solche Gegenorte funktionieren als queer-feministische Verankerungen, die explizit gegen eine heteronormative Sportkultur gegründet und etabliert wurden. Es wurden queere, trans* und queerfeministische Sporträume, die aus historischer Perspektive, aber auch heute noch Platz und Gelegenheit bieten, für die Auseinandersetzung um queere Identitäten oder Identitätsbildungen.
Julia Dahlhaus [00:02:17] Genau so. Wir denken wieder an das Wichtigste im Leben. Den Rumpf!
Das heißt: Alles was ihr hier habt, ist fest.
Das heißt, wenn ich hier hoch will, dann brauche ich gar nichts.
brauche ich gar nicht, ah meine Beine, die brauch ich gar nicht, sondern ich fahr den Fahrstuhl hoch. Ich fahr den Fahrstuhl runter. Okay, also immer daran denken, was brauch ich? Das brauch ich. Den Rumpf. Ich mach zack, dann bin ich oben.
Stefania [00:02:48] Am 24. Januar 1976 wurde in Westberlin der Verein „Selbstverteidigung für Frauen“ gegründet. Einige Frauen hatten bereits davor gemeinsam in den Räumen des Lesbischen Aktionszentrums trainiert. Diesem sehr spezifischen Ort folgten bald darauf weitere Gründungen, wie beispielsweise Schokosport in Berlin, Frauen in Bewegung in Frankfurt oder auch in Hamburg. Vereinen mit einem breiten Sportsangebot folgten, wie der explizit schwul-lesbische Verein Vorspiel (1986) und schließlich Seitenwechsel (1988), beide in Berlin. Diese Gründung war eng verzahnt mit der Auseinandersetzung zur Gewalt gegen Frauen innerhalb der zweiten Frauenbewegung und sollte entsprechend Raum für Empowerment geben.
Bärbel Düsing [00:03:38] Surikumi soktu ins Knie, seitwärts Fußtritt übersetzt ...und dann Urakeni auf die Nase ... So, jetzt habens wir's, supi…
[00:03:54] Ich heiße Bärbel Düsing. Und ich bin Trainerin für Selbstverteidigung und Karate. Ich gebe Training in der Schokofabrik und bei Kia e.V. Und ich mache sehr viele Workshops, Selbstverteidigungsworkshops mit verschiedenen Gruppen. Kizami-zuki oder Gyakuzuki oder Junzuki oder Maegeri, Mawashigeri, Ushirogeri - das sind Fußtritte, die ersten sind Handtechniken gewesen. Jodan Uke das wäre ein Block nach oben als Schutz vor einem Schlag ins Gesicht….
Das hängt damit zusammen, dass das Training so aufgebaut ist, dass man durch eine Grundschule durchläuft und die soll vermitteln, wie sie ihren Körper wirklich mit einer Einfachheit einer Technik optimiert fühlen. Also deswegen der Rhythmus, deshalb diese Ansagen, die Kommandos, die man gibt. Kommandos haben also keinen militärischen oder Gehorsamsgrund oder sowas, sondern: ich bin der Impuls für das, was sie tun sollen. Sie sollen also nicht so viel denken, in Anführungsstrichen, nicht im Sinne von: "So, jetzt mach ich das irgendwann mal", sondern der Impuls ist der Gegner, der sich bewegt, der irgendwas tut, und ich reagiere darauf. Damit lernt man schnell auf etwas zu reagieren, wenn ein Impuls kommt, das macht, dass man einen schnellen Start hat, wenn man loslegt, und das ist der Sinn davon, und die Rhythmik soll den Körper einüben, d.h. ich soll das immer wieder machen, immer wieder wiederholen, damit ich am Ende nicht denken muss, wenn ich mich wehre, sondern es im Körper drin ist, und der Körper es kann, selbst wenn ich da oben im Kopf auf Flucht oder Angriff umschalte. Man ist ja aufgeregt in Kampfsituationen, und da nutzt einen das reine intellektuelle Wissen nicht mehr so viel. Also Menschen sind unterschiedlich, manche kriegen schnell die Leitung unterbrochen im Kopf, manche können noch gut denken, aber insgesamt, wenn so ein Kampf kommt, ist das nicht mehr das Richtige, dass der Kopf noch lange denkt, denn Denken verlangsamt Bewegungen. Und das würde nichts nützen in einem Kampf. Und deshalb ist es sinnvoll, wenn der Körper das eingelernt hat und abrufen kann. Es gibt also zwei Bewusstseine, das eine ist das Gehirn, in dem Sinne, wie wir es verwenden, also ich kann vorausschauend Dinge tun, planen, ich kann Wissen anhäufen und es abrufen, und das Zweite ist der Körper, der auch ein Bewusstsein hat, und die Bewegungen mechanisch speichert und sie dann zur Verfügung hat, wenn man sie braucht.
[00:06:39] Dann geht's los. Ich.
Veronika [00:06:58] Sport, Kampfkunst, Selbstverteidigung? War oder ist es immer noch ein Körpertraining, das vor allen Dingen dazu dient, nicht nur den weiblichen Körper zu befreien, sondern dir ein Gefühl dafür zu geben, dass du einen Körper hast, der dir selbst gehört und damit das Recht darauf hast, deine Grenzen nach außen natürlich auch zu verteidigen.
Wir wollten die Nacht zurück. Wir wollten Räume erobern, die bis dato als für Frauen unzugänglich galten den öffentlichen Raum, den öffentlichen Raum. Und damit natürlich auch ein öffentlich sichtbarer Körper sein und das Recht darauf haben, uns und unseren Körper selbst zu verteidigen.
Nives Bercht [00:07:49] Ich heiße Nives Bercht und bin Freiberufliche WenDo und Yogalehrerin. Das ist das, was ich so mache. Seit. Seit 30 Jahren unterrichte ich WenDo in Berlin
00:38 Ich habe tatsächlich in den 80er Jahren angefangen, mit anderen, die auch Übergriffe auf der Straße erlebt haben - und die gab es da eben auch schon, mich zu organisieren. Und in der Zeit, das war dann so Mitte der 80er, gab es einfach viel selbstorganisierte Kickboxstrukturen. Es gab Kampfkunst Camps, die in den Niederlanden waren und da habe ich dann einfach Street Fighting gelernt, Kickboxen, und wir haben alles, was wir gelernt haben, immer sofort weitergegeben. Und es ging natürlich nicht nur um Techniken, sondern es ging auch um inhaltliche Diskussionen. Was wollen wir? Wie wollen wir was verändern? Welche Utopien haben wir?
90 % der Kommunikation ist Körpersprache. Und egal was du sagst, die Menschen werden immer deinem Körper glauben. Also wenn du lächelst und jemanden freundlich über die Schulter gefühlt anflirtest, auch wenn du es vielleicht gar nicht willst, und sagst nein, dann wird er deinem Körper glauben. Und Stimmen lassen sich trainieren, dass ich wirklich ein energisches Nein sage und ein energisches Stopp und dass mein Körper das auch ausdrückt. Und dann hat es total viel Power.
Bärbel Düsing [00:09:25] So. Wenn ich komme, und will das machen, dann mach ich nicht: ich komm irgendwie nach vorne und jetzt hau ich mal mit den Ärmchen, sondern ich komme und ich will das tun. Ich will das tun. Das heißt, das Ding wackelt dann ordentlich. Ich bin das Ding, das hier stößt!
Birgit Halberstadt [00:10:01] Ich bin Birgit Halberstadt, ich bin 65 Jahre alt, und mache WenDo seit 1983.
Wir hatten am Anfang drei Trainerinnen, die sind dann irgendwann aus Göttingen weggegangen und wir haben dann als Gruppe, sozusagen als Kollektiv WenDo unterrichtet, in den Achtzigern und wir haben es umsonst gemacht. Also das war ganz viel politische Arbeit, WenDo ist Aktivismus, da nimmst du kein Geld für… Es war erstmal für Frauen Lesben. In den 80er Jahren wurde das L-Wort kaum erwähnt. Wir haben noch in den 90er Jahren dafür gekämpft, dass auch das Wort Lesbe mal im Programm steht. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber es war ein sehr tabuisiertes - allein Homosexualität war sehr tabuisiert. Letztendlich waren viele Trainerinnen Lesben, aber nicht nur. Und da gab's auch Ende der 80er - Anfang der 90er, dass gesagt wurde, nur Lesben sollten WenDo - Trainerinnen werden, weil ja auch Heteras mit dem Feind schlafen. Mädchen kamen ziemlich schnell, weil logischerweise da sieht man halt auch. Es gab natürlich dann auch schon engagierte Hetera die sagten, ich will das auch für meine Tochter. (…) Ziemlich schnell gab's auch Mädchen WenDo Kurse und da natürlich auch Weiterbildung, weil du hast auch eine andere Verantwortung, wenn du mit Kindern arbeitest, weil da hast du auch noch das Machtverhältnis Erwachsene-Kind. Insgesamt hat sich das natürlich immer mehr differenziert, also in dem Maße, wo dann auch klar wurde, Frauen können auch Täterin sein. Es kann auch Gewalt unter Frauen geben. Frauen sind genauso rassistisch wie Männer und auch untereinander. Es gibt nicht das Kollektiv der Frauen, die alle gleich sind. Überhaupt nicht. Es gibt unglaublich verschiedene Privilegien jetzt in dieser Gesellschaft. Zum Beispiel. Ob du jetzt einen deutschen Pass hast, was für eine Hautfarbe, wie viel Geld von den Eltern her mitbringst usw. Und das ist zunehmend auch Thema geworden. Aber das wurde natürlich in den WenDo-kursen sehr kontrovers diskutiert. Meiner Erinnerung, nach so um 2000 rum, kam langsam das Thema, da haben sich zwei drei Trainerinnen als Trans geoutet, also Trainerin und da ging's dann echt ab, weil davor Rassismus, Ausgrenzung, Frau mit Behinderung, diese ganzen Themen, die konnte man auch irgendwie, auch wenn das sehr unterschiedlich diskutiert wurde, in den WenDo Zusammenhängen konnte man das noch in irgendeiner Form handeln. Aber als dann eben ein paar sich als trans Männlichkeiten sag ich mal geoutet haben, ging es richtig ab.
Ulrike Klöppel [00:13:10] Ja. Also, mein Name ist Ulrike Klöppel. Und ich bin Kung Fu Trainerin bei. Eine Gruppe, die angesiedelt ist bei Trans Inter Queer e.V. Trick e.V. Und zugleich auch an den großen Verein Schandau e.V. - Weg zur Quelle heißt das und ist der Verein, in dem ich diesen Kung Fu Stil erlernt habe. Bei Trick ist es eine Gruppe, die für Trans Interqueers and friends gedacht ist, mit der Erweiterung inzwischen non binary auch. Ja, genau so viel ist nur.
[00:01:20 - bis 02:05 ] Also in allererster Linie ist es einfach ein Kung Fu Training, das noch mal diesen Schwerpunkt darauf legt, im welcoming zu sein und spezifisch eben einen Ort, einen Raum zu bieten für trans, inter, queer, non binary Personen. Einfach auch aus der Erfahrung heraus, die es damals eben gab. Als ich das gegründet habe, gab es eben noch keine Kampfkunst Räume, die so dezidiert offen waren und für diese Gruppen. Ich glaube, ich war einfach auch die erste damit, die damit begann, das explizit das zu öffnen.
Kung Fu als solches oder zumindest der Stil, wie ich ihn verstehe und unterrichte ist, dass es sich um einen sehr weichen Stil handelt oder rund - das ist vielleicht die bessere Bezeichnung dafür, und dass ich ihn begreife insofern, als dass es nicht darum geht, mit Härte auf Härte zu auf den harten Angriff zu reagieren. Das heißt, ich würde auch sagen, es ist zugleich eigentlich ein sehr gesundheitsbewusstes Training, also das versucht eben, Verletzungen zu minimieren. Und deswegen glaube ich, ist es auch geeignet für Menschen, die möglicherweise besonders verschüchtert sind, was ihre Körperlichkeit anbetrifft.
Und ich denke, so ein Training kann wirklich dazu dienen, sich mit seiner Körperlichkeit wohler zu fühlen, also ein besseres Selbstbewusstsein zu entwickeln. Auf der Basis von einer weichen und flexiblen Körperarbeit, also zum Beispiel bei Angriffen wirklich auch verschiedene Antwortmöglichkeiten parat zu haben, insbesondere auch ein Ausweichen und wieder Reingehen. Auch dass immer, auch wenn ich zur Seite gehe und erst mal ausweiche, auch immer die Entscheidung offen lässt: Will ich diesen Kampf überhaupt annehmen oder deeskaliere ich lieber? Das sind ja Prinzipien, die mir total wichtig sind. Ja. Abgesehen davon geht es auch darum, möglichst auch Spaß zu haben im Training. Also wir lachen auch viel zusammen.
[00:15:46] Naigiri Ma washi tsuki !
[00:15:49] Sehr gut, das habt ihr super gemacht.
Das Constellations Archive (Link) entstand 2023 aus dem „Constellations Festival“ in Berlin, organisiert von Poligonal (Website). Es erforscht verschwundene queere Orte der Stadt durch künstlerische Interventionen, Zeitzeugengespräche und Archivarbeit. Ziel ist es, verschwundene queere Orte sichtbar zu machen und ihre Geschichte durch künstlerische Interventionen neu zu interpretieren. Das Archiv dient als digitale Plattform zur langfristigen Dokumentation der im Rahmen des Festivals gesammelten Geschichten. Es wächst stetig und bewahrt die Erinnerung an marginalisierte Gruppen.
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DEN ÖFFENTLICHEN RAUM UND UNSEREN KÖRPER. DIE QUEER-FEMINISTISCHEN DOJOS UND DIE TECHNIKEN DES SELBST
In der zweiten Frauenbewegung wurde damit begonnen, die Emanzipation der Frau vom Körper her zu denken. Befreit ist die weiblich gelesene Person erst dann, wenn die gewaltförmigen Muster des patriarchalen Herrschaftssystems körperlich überwunden sind - wenn Körper sich wehren und selbst verteidigen.
In den 70er Jahren wurden die ersten Dojos in Berlin gegründet: in der asiatischen Kampfkunst wie Karate, Judo oder Aikido ist es der Raum, in dem das Training stattfindet. Es sind Orte, die als Gegenräume gegen die heteronormative Sportkultur fungierten. Trainiert wurde das in Kanada entwickelte WenDo. WenDo beinhaltet Techniken zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung, die explizit von Frauen an Frauen weitergegeben werden sollten. Es wurden queere, trans* und queer-feministische Sporträume, die aus historischer Perspektive, aber auch heute noch eine Verankerung sind für die Auseinandersetzung um queere Identitäten oder Identitätsbildungen.
Credits
Time: 1970s-1980s
Lat: 52.489302530061,
Long: 13.358695197253
Published: 13.07.2024 Audio: Deutsch
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Directed by/Regie Maxi Obexer
With voices from/Stimme von Stefania Maffeis (Speaker/Sprecherin); Veronika Springmann (Historian/Historikerin); Nives Bercht, Bärbel Düsing, Birgit Halberstadt, Ulrike Klöppel (Trainers/Trainerinnen)
Music selection/Musikauswahl FRZNTE
Sound and Post-production/Sound, Ton und Technik Tobias Purfürst
Abb. 02 Atelierwohnung Seefeld (Privates Archiv Christiane Seefeld)
Bärbel Düsing [00:00:00] So. Wir stellen uns auf zur Grundschule. Dann geht's los mit cattle sun zucki ... etsch. Etsch - hook …. Das Erste ist, ich ziehe den hoch … Und das Zweite ist: Wenn ich absetze, geht meine Wirbelsäule nach unten und macht power! Ich setze trotzdem sanft auf, aber ich hab Druck und ich hau wirklich rein. Okay?
Stefania [00:00:54] Das feministische Dojo ist ein Raum, der in den 1970 er Jahren gegründet wurde, um Frauen die Möglichkeit zu geben, feministischen Kampfsport zu erlernen. Der Begriff „Dojo“ kommt aus dem Japanischen und bedeutet der „Ort des Weges“. Es bezeichnet in der traditionellen Kampfkunst also Kampfkünsten wie Karate, Judo oder Aikido, den Raum, in dem das Training stattfindet. Ebenfalls in den 1970er Jahren wurde in Kanada WenDo entwickelt und meint den „Weg der Frauen". WenDo beinhaltet Techniken zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung, die explizit von Frauen an Frauen weitergegeben werden sollten. Es sind Räume, die als „Gegenorte“ (counter sites) innerhalb heteronormative Sportstrukturen fungieren. Heterotopien, wie Michel Foucault sie nennt, also Orte, die sich allem anderen widersetzen, es in gewisser Weise ersetzen oder neutralisieren. Solche Gegenorte funktionieren als queer-feministische Verankerungen, die explizit gegen eine heteronormative Sportkultur gegründet und etabliert wurden. Es wurden queere, trans* und queerfeministische Sporträume, die aus historischer Perspektive, aber auch heute noch Platz und Gelegenheit bieten, für die Auseinandersetzung um queere Identitäten oder Identitätsbildungen.
Julia Dahlhaus [00:02:17] Genau so. Wir denken wieder an das Wichtigste im Leben. Den Rumpf!
Das heißt: Alles was ihr hier habt, ist fest.
Das heißt, wenn ich hier hoch will, dann brauche ich gar nichts.
brauche ich gar nicht, ah meine Beine, die brauch ich gar nicht, sondern ich fahr den Fahrstuhl hoch. Ich fahr den Fahrstuhl runter. Okay, also immer daran denken, was brauch ich? Das brauch ich. Den Rumpf. Ich mach zack, dann bin ich oben.
Stefania [00:02:48] Am 24. Januar 1976 wurde in Westberlin der Verein „Selbstverteidigung für Frauen“ gegründet. Einige Frauen hatten bereits davor gemeinsam in den Räumen des Lesbischen Aktionszentrums trainiert. Diesem sehr spezifischen Ort folgten bald darauf weitere Gründungen, wie beispielsweise Schokosport in Berlin, Frauen in Bewegung in Frankfurt oder auch in Hamburg. Vereinen mit einem breiten Sportsangebot folgten, wie der explizit schwul-lesbische Verein Vorspiel (1986) und schließlich Seitenwechsel (1988), beide in Berlin. Diese Gründung war eng verzahnt mit der Auseinandersetzung zur Gewalt gegen Frauen innerhalb der zweiten Frauenbewegung und sollte entsprechend Raum für Empowerment geben.
Bärbel Düsing [00:03:38] Surikumi soktu ins Knie, seitwärts Fußtritt übersetzt ...und dann Urakeni auf die Nase ... So, jetzt habens wir's, supi…
[00:03:54] Ich heiße Bärbel Düsing. Und ich bin Trainerin für Selbstverteidigung und Karate. Ich gebe Training in der Schokofabrik und bei Kia e.V. Und ich mache sehr viele Workshops, Selbstverteidigungsworkshops mit verschiedenen Gruppen. Kizami-zuki oder Gyakuzuki oder Junzuki oder Maegeri, Mawashigeri, Ushirogeri - das sind Fußtritte, die ersten sind Handtechniken gewesen. Jodan Uke das wäre ein Block nach oben als Schutz vor einem Schlag ins Gesicht….
Das hängt damit zusammen, dass das Training so aufgebaut ist, dass man durch eine Grundschule durchläuft und die soll vermitteln, wie sie ihren Körper wirklich mit einer Einfachheit einer Technik optimiert fühlen. Also deswegen der Rhythmus, deshalb diese Ansagen, die Kommandos, die man gibt. Kommandos haben also keinen militärischen oder Gehorsamsgrund oder sowas, sondern: ich bin der Impuls für das, was sie tun sollen. Sie sollen also nicht so viel denken, in Anführungsstrichen, nicht im Sinne von: "So, jetzt mach ich das irgendwann mal", sondern der Impuls ist der Gegner, der sich bewegt, der irgendwas tut, und ich reagiere darauf. Damit lernt man schnell auf etwas zu reagieren, wenn ein Impuls kommt, das macht, dass man einen schnellen Start hat, wenn man loslegt, und das ist der Sinn davon, und die Rhythmik soll den Körper einüben, d.h. ich soll das immer wieder machen, immer wieder wiederholen, damit ich am Ende nicht denken muss, wenn ich mich wehre, sondern es im Körper drin ist, und der Körper es kann, selbst wenn ich da oben im Kopf auf Flucht oder Angriff umschalte. Man ist ja aufgeregt in Kampfsituationen, und da nutzt einen das reine intellektuelle Wissen nicht mehr so viel. Also Menschen sind unterschiedlich, manche kriegen schnell die Leitung unterbrochen im Kopf, manche können noch gut denken, aber insgesamt, wenn so ein Kampf kommt, ist das nicht mehr das Richtige, dass der Kopf noch lange denkt, denn Denken verlangsamt Bewegungen. Und das würde nichts nützen in einem Kampf. Und deshalb ist es sinnvoll, wenn der Körper das eingelernt hat und abrufen kann. Es gibt also zwei Bewusstseine, das eine ist das Gehirn, in dem Sinne, wie wir es verwenden, also ich kann vorausschauend Dinge tun, planen, ich kann Wissen anhäufen und es abrufen, und das Zweite ist der Körper, der auch ein Bewusstsein hat, und die Bewegungen mechanisch speichert und sie dann zur Verfügung hat, wenn man sie braucht.
[00:06:39] Dann geht's los. Ich.
Veronika [00:06:58] Sport, Kampfkunst, Selbstverteidigung? War oder ist es immer noch ein Körpertraining, das vor allen Dingen dazu dient, nicht nur den weiblichen Körper zu befreien, sondern dir ein Gefühl dafür zu geben, dass du einen Körper hast, der dir selbst gehört und damit das Recht darauf hast, deine Grenzen nach außen natürlich auch zu verteidigen.
Wir wollten die Nacht zurück. Wir wollten Räume erobern, die bis dato als für Frauen unzugänglich galten den öffentlichen Raum, den öffentlichen Raum. Und damit natürlich auch ein öffentlich sichtbarer Körper sein und das Recht darauf haben, uns und unseren Körper selbst zu verteidigen.
Nives Bercht [00:07:49] Ich heiße Nives Bercht und bin Freiberufliche WenDo und Yogalehrerin. Das ist das, was ich so mache. Seit. Seit 30 Jahren unterrichte ich WenDo in Berlin
00:38 Ich habe tatsächlich in den 80er Jahren angefangen, mit anderen, die auch Übergriffe auf der Straße erlebt haben - und die gab es da eben auch schon, mich zu organisieren. Und in der Zeit, das war dann so Mitte der 80er, gab es einfach viel selbstorganisierte Kickboxstrukturen. Es gab Kampfkunst Camps, die in den Niederlanden waren und da habe ich dann einfach Street Fighting gelernt, Kickboxen, und wir haben alles, was wir gelernt haben, immer sofort weitergegeben. Und es ging natürlich nicht nur um Techniken, sondern es ging auch um inhaltliche Diskussionen. Was wollen wir? Wie wollen wir was verändern? Welche Utopien haben wir?
90 % der Kommunikation ist Körpersprache. Und egal was du sagst, die Menschen werden immer deinem Körper glauben. Also wenn du lächelst und jemanden freundlich über die Schulter gefühlt anflirtest, auch wenn du es vielleicht gar nicht willst, und sagst nein, dann wird er deinem Körper glauben. Und Stimmen lassen sich trainieren, dass ich wirklich ein energisches Nein sage und ein energisches Stopp und dass mein Körper das auch ausdrückt. Und dann hat es total viel Power.
Bärbel Düsing [00:09:25] So. Wenn ich komme, und will das machen, dann mach ich nicht: ich komm irgendwie nach vorne und jetzt hau ich mal mit den Ärmchen, sondern ich komme und ich will das tun. Ich will das tun. Das heißt, das Ding wackelt dann ordentlich. Ich bin das Ding, das hier stößt!
Birgit Halberstadt [00:10:01] Ich bin Birgit Halberstadt, ich bin 65 Jahre alt, und mache WenDo seit 1983.
Wir hatten am Anfang drei Trainerinnen, die sind dann irgendwann aus Göttingen weggegangen und wir haben dann als Gruppe, sozusagen als Kollektiv WenDo unterrichtet, in den Achtzigern und wir haben es umsonst gemacht. Also das war ganz viel politische Arbeit, WenDo ist Aktivismus, da nimmst du kein Geld für… Es war erstmal für Frauen Lesben. In den 80er Jahren wurde das L-Wort kaum erwähnt. Wir haben noch in den 90er Jahren dafür gekämpft, dass auch das Wort Lesbe mal im Programm steht. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber es war ein sehr tabuisiertes - allein Homosexualität war sehr tabuisiert. Letztendlich waren viele Trainerinnen Lesben, aber nicht nur. Und da gab's auch Ende der 80er - Anfang der 90er, dass gesagt wurde, nur Lesben sollten WenDo - Trainerinnen werden, weil ja auch Heteras mit dem Feind schlafen. Mädchen kamen ziemlich schnell, weil logischerweise da sieht man halt auch. Es gab natürlich dann auch schon engagierte Hetera die sagten, ich will das auch für meine Tochter. (…) Ziemlich schnell gab's auch Mädchen WenDo Kurse und da natürlich auch Weiterbildung, weil du hast auch eine andere Verantwortung, wenn du mit Kindern arbeitest, weil da hast du auch noch das Machtverhältnis Erwachsene-Kind. Insgesamt hat sich das natürlich immer mehr differenziert, also in dem Maße, wo dann auch klar wurde, Frauen können auch Täterin sein. Es kann auch Gewalt unter Frauen geben. Frauen sind genauso rassistisch wie Männer und auch untereinander. Es gibt nicht das Kollektiv der Frauen, die alle gleich sind. Überhaupt nicht. Es gibt unglaublich verschiedene Privilegien jetzt in dieser Gesellschaft. Zum Beispiel. Ob du jetzt einen deutschen Pass hast, was für eine Hautfarbe, wie viel Geld von den Eltern her mitbringst usw. Und das ist zunehmend auch Thema geworden. Aber das wurde natürlich in den WenDo-kursen sehr kontrovers diskutiert. Meiner Erinnerung, nach so um 2000 rum, kam langsam das Thema, da haben sich zwei drei Trainerinnen als Trans geoutet, also Trainerin und da ging's dann echt ab, weil davor Rassismus, Ausgrenzung, Frau mit Behinderung, diese ganzen Themen, die konnte man auch irgendwie, auch wenn das sehr unterschiedlich diskutiert wurde, in den WenDo Zusammenhängen konnte man das noch in irgendeiner Form handeln. Aber als dann eben ein paar sich als trans Männlichkeiten sag ich mal geoutet haben, ging es richtig ab.
Ulrike Klöppel [00:13:10] Ja. Also, mein Name ist Ulrike Klöppel. Und ich bin Kung Fu Trainerin bei. Eine Gruppe, die angesiedelt ist bei Trans Inter Queer e.V. Trick e.V. Und zugleich auch an den großen Verein Schandau e.V. - Weg zur Quelle heißt das und ist der Verein, in dem ich diesen Kung Fu Stil erlernt habe. Bei Trick ist es eine Gruppe, die für Trans Interqueers and friends gedacht ist, mit der Erweiterung inzwischen non binary auch. Ja, genau so viel ist nur.
[00:01:20 - bis 02:05 ] Also in allererster Linie ist es einfach ein Kung Fu Training, das noch mal diesen Schwerpunkt darauf legt, im welcoming zu sein und spezifisch eben einen Ort, einen Raum zu bieten für trans, inter, queer, non binary Personen. Einfach auch aus der Erfahrung heraus, die es damals eben gab. Als ich das gegründet habe, gab es eben noch keine Kampfkunst Räume, die so dezidiert offen waren und für diese Gruppen. Ich glaube, ich war einfach auch die erste damit, die damit begann, das explizit das zu öffnen.
Kung Fu als solches oder zumindest der Stil, wie ich ihn verstehe und unterrichte ist, dass es sich um einen sehr weichen Stil handelt oder rund - das ist vielleicht die bessere Bezeichnung dafür, und dass ich ihn begreife insofern, als dass es nicht darum geht, mit Härte auf Härte zu auf den harten Angriff zu reagieren. Das heißt, ich würde auch sagen, es ist zugleich eigentlich ein sehr gesundheitsbewusstes Training, also das versucht eben, Verletzungen zu minimieren. Und deswegen glaube ich, ist es auch geeignet für Menschen, die möglicherweise besonders verschüchtert sind, was ihre Körperlichkeit anbetrifft.
Und ich denke, so ein Training kann wirklich dazu dienen, sich mit seiner Körperlichkeit wohler zu fühlen, also ein besseres Selbstbewusstsein zu entwickeln. Auf der Basis von einer weichen und flexiblen Körperarbeit, also zum Beispiel bei Angriffen wirklich auch verschiedene Antwortmöglichkeiten parat zu haben, insbesondere auch ein Ausweichen und wieder Reingehen. Auch dass immer, auch wenn ich zur Seite gehe und erst mal ausweiche, auch immer die Entscheidung offen lässt: Will ich diesen Kampf überhaupt annehmen oder deeskaliere ich lieber? Das sind ja Prinzipien, die mir total wichtig sind. Ja. Abgesehen davon geht es auch darum, möglichst auch Spaß zu haben im Training. Also wir lachen auch viel zusammen.
[00:15:46] Naigiri Ma washi tsuki !
[00:15:49] Sehr gut, das habt ihr super gemacht.
Das Constellations Archive (Link) entstand 2023 aus dem „Constellations Festival“ in Berlin, organisiert von Poligonal (Website). Es erforscht verschwundene queere Orte der Stadt durch künstlerische Interventionen, Zeitzeugengespräche und Archivarbeit. Ziel ist es, verschwundene queere Orte sichtbar zu machen und ihre Geschichte durch künstlerische Interventionen neu zu interpretieren. Das Archiv dient als digitale Plattform zur langfristigen Dokumentation der im Rahmen des Festivals gesammelten Geschichten. Es wächst stetig und bewahrt die Erinnerung an marginalisierte Gruppen.